Wie läuft eigentlich die Weinlese ab? Wann wird welche Rebsorte geerntet? Wer entscheidet das und nach welchen Kriterien wird das Lesedatum festgelegt? Wir haben unseren Kellermeister befragt und spannende Informationen erhalten.
Der Herbst ist da - Lesestart
Der Herbst ist da und damit die wuseligste Zeit im Winzerkeller. Ab Anfang September sind die Winzer*innen im Weinberg unterwegs und ernten die Weintrauben des neuen Jahrgangs.
Was wissen Sie wirklich über die Weinlese, die Ernte der Weintrauben? Da wir hier im Marketing auch eher unwissend sind, haben wir uns den 1. Kellermeister, Norbert Kuhn, geschnappt und mit vielen Fragen gelöchert.
Norbert, sag mal, wann beginnt die Weinlese?
In einem normalen Jahr beginnt die Lese ca. 100 Tage nach der Blüte der Rebstöcke. Die Blütezeit der Weinreben ist mittlerweile häufig schon Ende Mai, in manchen Jahren aber auch erst Mitte Juni. Diese 100 Tage bilden einen groben Richtwert für den Start, der sich jedoch immer nochmal je nach Witterungsbedingung verschieben kann. Gegen Ende der Reifezeit der Trauben kontrollieren sowohl Verwaltung als auch ich als Kellermeister alle Rebanlagen, um die Reifung der Trauben im Blick zu behalten. Sobald die Trauben gute Öxle-Werte liefern, legen wir los.
Warum heißt das eigentlich "Lese" - woher kommt dieses Wort?
Das Wort "Lese" kommt von "Auslese", da der Winzer/die Winzerin im Weinberg die Trauben von Hand verliest. Er / Sie trifft im Weinberg die Auswahl, welche Trauben die nötige Qualität für besten Wein mitbringen und welche nicht. Aus dieser Auslese hat sich die Weinlese als Synonym für die Ernte der Weintrauben im Weinberg entwickelt.
Welche Sorten werden in der Regel am Anfang und welche am Ende gelesen?
In Bischoffingen und Endingen starten wir mit dem Sektgrundwein, also Spätburgunder, Auxerrois und Chardonnay, da dieser mehr Säure und einen möglichst geringen Zuckergehalt aufweisen soll. Man merke sich: Je reifer die Traube, desto höher der Zuckergehalt und desto gehaltvoller am Ende der Wein bzw. Sekt.
Auf den Sektgrundwein folgen dann die frischen Weißweine wie Müller-Thurgau sowie Weiß- und Grauburgunder. Die Rotweintrauben dürfen normalerweise etwas länger reifen und bilden daher den Abschluss des Herbstes.
Wie läuft die Lese der Weintrauben grundsätzlich ab?
Sobald die Verwaltung und Geschäftsführung mit Kellermeister die Trauben für reif genug hält, werden die Winzer*innen entsprechend informiert und ein erster Herbstplan erstellt.
Der Herbstplan listet immer für die kommende Woche auf, welche Trauben, an welchem Tag geerntet und in die Genossenschaft gebracht werden dürfen. In der Regel sind das maximal 2 Sorten je Tag.
Die Winzer ernten die Trauben je nach Lage und Qualität mit der Hand oder mit dem Vollernter. Dabei gilt: Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Die vollen Bottiche werden zur Traubenannahme in die Winzergenossenschaft gefahren. Dort werden die Trauben direkt gepresst oder - je nach Sorte - auf die Maische gelegt und dann weiterverarbeitet.
Bei der Traubenannahme werden die Bottiche gewogen und der Öxlegehalt ermittelt. An diesen Werten orientiert sich die Höhe des Traubengeldes, das der Winzer für seine Trauben erhält.
Wie hat sich die Lese in den letzten Jahrzehnten verändert?
Generell hat sich - wie in vielen Branchen und Gewerken - im Bereich der Maschinen viel getan. Die Digitalisierung ermöglicht uns heute eine viel genauere Messung von Daten und Werten, ein präziseres Arbeiten und erleichtert uns den Arbeitsalltag sehr. Nichtsdestotrotz ist die Weinlese ein Handwerk, geprägt von Handarbeit und körperlichen Arbeitseinsatz.
Eine zweite große Veränderung ist das Klima. Die Sommer werden heißer und trockener und der Lesestart hat sich um mehrere Wochen nach vorne verschoben. Noch vor wenigen Jahrzehnten starteten die Winzer*innen erst Mitte/Ende September in die Lese. Heute blicken wir auf Jahrgänge zurück, die bereits im August ihren Weg in den Keller angetreten haben. Außerdem hat sich die Erntezeit verkürzt. Noch zu meinen Gesellenzeiten waren Ernten mit sechs Wochen Dauer nichts Besonderes, heute sind wir mit den meisten Trauben nach drei Wochen fertig.
Was sind die größten Herausforderungen während der Weinlese für dich als Kellermeister?
Der Schlafmangel (lacht). Im Herbst sind die Arbeitstage des gesamten Kellerteams lange und das über mehrere Wochen. Allen wird höchste Konzentration abverlangt, denn die Verantwortung für die neuen Weine ist allen mehr als bewusst.
Als Kellermeister darf ich den Überblick nicht verlieren, muss wissen, welche Trauben, wann reif sind, bin verantwortlich für die Herbstpläne und die korrekte Verarbeitung aller Trauben. Ein sauberes und akribisches Arbeiten ist die Grundlage für einen neuen Jahrgang, der beste Weine hervorbringt, die alle unsere Kund*innen gerne trinken.